Pilotprojekt SVA Youngsters stieß auf große Nachfrage

Beschreibung

Zwei Kinder sitzen mit Trompete und Posaune nebeneinander und freuen sich.

Das Pilotprojekt SVA Youngsters Jazz-Rock-Pop hat am 03. und 04. Dezember 2022 ein innovatives musikalisches Frühförderprogramm für junge Instrumental- und Vokalschüler*innen erprobt. Es richtete sich an Kinder im Alter von 8 bis 13 Jahren, die perspektivisch im Rahmen einer solchen – zu diesem Zweck dauerhaft einzurichtenden – Frühförderung auf eine mögliche Aufnahme in die etablierten Begabtenförderprogramme des Landes (Studienvorbereitende Ausbildung, LandesJugendEnsembles, Jungstudierendenprogramm ISMA) vorbereitet werden könnten. Diese genannten Begabtenförderprogramme setzen in der Regel ab einem Alter von 13 oder 14 Jahren an. Bei nicht wenigen Kindern wird jedoch weit früher ein besonderes weiterführendes musikalisches Interesse festgestellt, das Instrumental- oder Vokalunterricht allein nicht vollumfänglich bedienen kann. Im Rahmen des Pilotprojekts SVA Youngsters wurde nun erprobt, wie man diesem Bedarf mithilfe eines maßgeschneiderten Programms gerecht werden könnte.

Das Pilotprojekt legte dabei den Fokus zunächst auf den popularmusikalischen Bereich (Jazz-Rock-Pop). Es erprobte, wie unterschiedliche Aspekte der popularmusikalischen Praxis altersgerecht vermittelt werden können – von der Bandarbeit in kleineren und größeren Besetzungen bis hin zur Improvisation. Neben der Ensemblepraxis sammelten die Teilnehmenden auch erste Erfahrungen im Bereich Gehörbildung. Die Vermittlung erfolgte in Form von an die Altersgruppe angepassten vielsinnigen Spielen und praxisnahen Einheiten. Grundgedanke des Pilotprojekts war, schlummernde Begabungen früh zu entdecken und frühe Entwicklungsfenster zur Förderung ebendieser Begabungen zu nutzen. Dabei wurde das Augenmerk stets auf eine altersgerechte, spielerische Vermittlung von Inhalten gelegt – auch wenn die zu vermittelnden Inhalte üblicherweise erst mit älteren Schüler*innen behandelt würden. Das zwangsläufig entstehende Spannungsfeld zwischen fortgeschrittenen Inhalten und einer altersgerechten Vermittlung derselben forderte den Musikpädagog*innen des Projekts besondere pädagogische Kompetenzen und einen kreativen fachdidaktischen Methodenkoffer ab.

Die Dozent*innen

Als Dozent*innen konnten Janika Löttgen und Hannes Pries für den Kurs gewonnen werden.

Janika Löttgen studierte Jazzposaune in Weimar und Essen (Bachelor 2019) und Elementare Musikpädagogik in Köln (Bachelor 2020). Sie ist als Lehrkraft in Festanstellung an der Musikschule Haan in NRW tätig. Darüber hinaus hat sie sich mit ihrem musikpädagogischen Schwerpunkt „Jazz für Kinder“ in den letzten Jahren bundesweit einen Namen gemacht und ist deshalb gefragte Dozentin im Rahmen verschiedener Kurse und Workshops (z.B. SommerJazz 2022 im Nordkolleg Rendsburg).

Hannes Pries studierte „Musik vermitteln“ mit Hauptfach Schlagzeug in Lübeck (Bachelor 2022); seit dem Wintersemester 2022/23 ist er Student im Master „Popular Music“ an der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim. Der Multiinstrumentalist und künstlerische Kopf der jungen Kieler Band „Leo in the Lioncage“ ist Träger des 7. Lübecker Jazzpreises. In den Jahren 2021 und 2022 – noch als Bachelorstudent in Lübeck – assistierte er Prof. Bernd Ruf mehrfach bei den Arbeitsphasen der SVA Jazz-Rock-Pop.

Inhalte

Zentrales Ansinnen des Pilotprojekts war es, zu erproben, ob fortgeschrittene Inhalte der popularmusikalischen Praxis, die üblicherweise in diesem Umfang und in dieser Intensität erst mit Jugendlichen behandelt würden (Bandarbeit, Improvisation, Gehörbildung) auch mit einer Gruppe – musikalisch besonders interessierter – Acht- bis Dreizehnjähriger behandelt werden können. Die SVA Youngsters waren also einerseits ein in inhaltlicher, pädagogischer und methodisch-didaktischer Hinsicht altersgerechter Kurs – das heißt, spielerische Elemente und kindgerechte Geschichten/Inhalte standen im Fokus. Andererseits beschäftigten sich im Rahmen des Kurses sechzehn Kinder zwei Tage lang hochkonzentriert, mit außergewöhnlich hohem Lerntempo sowie in wechselnden Konstellationen und unterschiedlichen Aufgabendesigns mit Inhalten der popularmusikalischen Praxis und Theorie. Kurzum: Die inhaltliche und zeitliche Dichte sowie die Komplexität der Aufgabenstellungen des Kurses waren für die teilnehmende Altersgruppe ungewöhnlich hoch. Dabei gelang es den beiden Musikpädagog*innen des Kurses erfolgreich, die Begeisterung der Kinder, dank altersgerechter Inhalte (z.B. Wesen im Wald der Magie) und Methoden (z.B. Gehörbildungs-Twister) kontinuierlich zu füttern – die Kinder schienen oftmals gar nicht zu merken, wie intensiv, konstruktiv und dicht getaktet sie an den beiden Tagen lernten.

Wald der Magie:

Die einstudierten Pop- und Jazz-Bandstücke folgten inhaltlich/textlich der Reise einer Eule durch den „Wald der Magie“ – die Eule begegnete auf ihrem Weg anderen Tieren und Fabelwesen, mit denen sie in den Texten der Stücke Unterhaltungen führte und Abenteuer erlebte. Die Stücke wurden von Janika Löttgen eigens für die Arbeit mit dieser Altersgruppe komponiert und getextet. Diese spezielle Literatur ermöglichte eine musikalisch anspruchsvolle und dennoch altersgerechte Bandarbeit mit den Kindern. Darüber hinaus boten die Texte Material, dass im Rahmen der Kreativ-Phasen in Kleingruppen künstlerisch weiterverarbeitet und interpretiert werden konnte (z.B. im Rahmen kurzer Theaterstücke o.Ä.).

Improvisation:

An verschiedenen Stellen des Kurses wurden die Kinder immer wieder zur Improvisation ermutigt (z.B. während der Band- und Tuttiproben oder bei der angeleiteten Jamsession am Abend). Dabei wurden sie durch verschiedene Methoden niederschwellig an das Improvisieren herangeführt, z.B. indem zunächst nur auf einem einzelnen Ton improvisiert und dabei mit Artikulation, Dynamik oder Rhythmus gespielt wurde.

Gehörbildungs-Twister:

Am Samstagabend wurde eine altersgerechte, spielerische Variante von Gehörbildungsunterricht erprobt. Zur Vorbereitung des Spiels wurden farbige Papierkärtchen auf dem Boden verteilt. Daraufhin wurde eine Reihe von Tönen – mit Klangbausteinen außerhalb des Sichtfeldes der Kinder erzeugt – den verschiedenen Farben zugeordnet; weitere musikalische Aspekte (Artikulation oder Dynamik) wurden einzelnen Körperteilen zugeordnet. Wenn die Kinder also einen bestimmten Ton in einer gewissen Artikulation oder Dynamik hörten, wussten sie, dass sie beispielsweise mit der linken Hand eine gelbe Papierkarte berühren mussten. Zu keinem Zeitpunkt entstand der Eindruck, dass die Kinder diese Methode als „Unterricht“ empfanden, obwohl es sich de facto um Gehörbildungsunterricht handelte.

Zusammenfassung & Ausblick

Inhaltlich und methodisch-didaktisch hat das Pilotprojekt erfolgreich nachgewiesen, dass im beschriebenen Spannungsfeld zwischen fortgeschrittenen musikpraktischen und musiktheoretischen Inhalten und einer noch sehr jungen Zielgruppe erfolgreiche musikpädagogische Projektarbeit stattfinden kann. Dafür bedurfte es seitens der Musikpädagog*innen des Projekts eines hohen Maßes an pädagogischem Feingefühl sowie eines vielfältig gefüllten Methodenkoffers. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erprobung des Formats SVA Youngsters Jazz-Rock-Pop überaus erfolgreich verlaufen ist (dafür spricht auch das sehr positive Teilnehmenden-Feedback).

Auch aus der hervorragenden Anmeldelage (21 Anmeldungen auf 10-14 Plätze) ergibt sich der Schluss, dass in Schleswig-Holstein ein erheblicher Bedarf an musikpädagogischen Angeboten für eben solche Kinder der Primar- und Unterstufe besteht, welche hinsichtlich ihres musikalischen Interesses sowie ihrer instrumentalen Fertigkeiten ihren Peers ein gutes Stück voraus sind. Es bedarf also eines neuen musikalischen Förderprogramms für Acht- bis Dreizehnjährige, das den teilnehmenden Kindern ein landesweites Forum für die musikalische Begegnung mit gleichaltrigen Gleichgesinnten bietet. Diese Netzwerkfunktion für „musikalisch Gleichgesinnte“ würde das zu etablierende Frühförderprogramm mit den musikalischen Begabtenförderprogrammen für Jugendliche und junge Erwachsene der Mittel- und Oberstufe (SVA, LJEs, ISMA) gemein haben – nur stünden bei einem Frühförderprogramm die Stoßrichtungen Begabtenförderung oder Studienvorbereitung noch nicht im Fokus, sondern vielmehr die spielerische und altersgerechte Vermittlung fortgeschrittener musikpraktischer und musiktheoretischer Inhalte. Kurzum: Ein zu etablierendes Programm SVA Youngsters Jazz-Rock-Pop will keine SVA JRP für Kinder bzw. kein LJJO für Kinder sein – vielmehr bietet es seinen Teilnehmerin*innen die Chance, auf nachhaltige und altersgerechte Weise in eben diese landesweiten Programme der musikalischen Begabtenförderung hineinzuwachsen.

Darüber hinaus würde ein Programm SVA Youngsters die Funktion eines den Begabtenförderprogrammen vorgeschalteten Scoutingprogramms erfüllen und auf diese Weise helfen, den Pool der durch das etablierte musikalische Begabtenförderungssystem erreichbaren jungen Musiker*innen in Schleswig-Holstein deutlich zu vergrößern. Weiterhin ist davon auszugehen, dass ähnliche Bedarfe hinsichtlich eines musikalischen Frühförderprogramms nicht nur im popularmusikalischen, sondern auch im klassischen Bereich bestehen. Der Landesverband der Musikschulen möchte deshalb zeitnah – bei Vorliegen der entsprechenden finanziellen Rahmenbedingungen – das Roll-out dieses nun erfolgreich erprobten, innovativen Kursformats angehen.

Das Pilotprojekt wurde vom Landesverband der Musikschulen in Kooperation mit dem Nordkolleg Rendsburg unter dem Dach des KMB.SH durchgeführt. Das Nordkolleg Rendsburg, das auch Veranstaltungsort war, unterstützte als Kooperationspartner bei der Mittelakquise und warb Gelder bei der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung für das Projekt ein. Das MBWFK unterstützte das Projekt aus dem KMB.SH-Topf der Kulturprojektförderung.

Ansprechperson

Matthias Edeler
edeler(at)musikschulen-sh.de
04331 – 148 649


Ein Projekt des Landesverband der Musikschulen in Kooperation mit dem Nordkolleg Rendsburg unter dem Dach des KMB.SH

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